Hamburg. Mama, Papa, Ball – ihre ersten Wörter sprechen Kinder in der Regel im Alter zwischen neun und 18 Monaten. Bei Kindern mit einer globalen Entwicklungsstörung dauert es wesentlich länger, bis sie sich verbal ausdrücken können. Ihnen und ihren Eltern hilft das bundesweit einmalige Programm KUGEL, für das das Werner Otto Institut unlängst mit dem HanseMerkur Preis für Kinderschutz ausgezeichnet wurde. Die Initiatorinnen Heike Burmeister und Dorothee von Maydell erhielten den mit 10.000 Euro dotierten Anerkennungspreis.
Seit über 30 Jahren sind Burmeister und von Maydell an dem Sozialpädiatrischen Zentrum in Hamburg als Logopädinnen tätig. Gemeinsam mit Dr. Anke Buschmann, Leiterin des Zentrums für Entwicklung und Lernen Heidelberg, und auf Basis des evaluierten Heidelberger Elterntrainings, entwickelten sie 2011 gemeinsam das Programm KUGEL. Sein Name steht für „Kommunikation mit unterstützenden Gebärden – ein Eltern-Kind-Gruppenprogramm“. An sieben Terminen erlernen Eltern in der Gruppe, wie sie im Dialog mit ihrem Kind Wörter mit Gebärden begleiten können. Die sogenannten „Lautsprachunterstützenden Gebärden“ (LUG) machen es entwicklungsverzögerten Kindern nicht nur leichter zu verstehen, was ihre Eltern ihnen mitteilen möchten, sondern helfen ihnen auch dabei, ihre wichtigsten Bedürfnisse – zum Beispiel essen, spielen oder mehr schaukeln – auszudrücken.
„Es ist sehr schlimm für ein Kind, sich unverstanden zu fühlen. Oft zieht es sich dann zurück und auch die Eltern sind aufgrund der Missverständnisse traurig und frustriert“, so Heike Burmeister. „Kinder mit einer Entwicklungsstörung haben oft Mühe beim Erwerb der Lautsprache“, fügt ihre Kollegin Dorothee von Maydell hinzu. „Einige formen ihre ersten Wörter manchmal erst mit vier, fünf oder sechs Jahren. Mit den Gebärden, die sie und ihre Eltern bei uns kennenlernen, können sie die Zeit bis zum Beginn der Lautsprache überbrücken, ihre Bedürfnisse äußern und kommunizieren.“ Die Eltern fördern mit dem Gebärdeneinsatz nicht nur die sprachliche Entwicklung ihrer Kinder, sondern auch ihre kognitive und soziale. Dies sei ein wichtiger Beitrag für ein gesundes Aufwachsen.
Die Programm-Gründerinnen legen einen besonderen Wert darauf, den Teilnehmenden einen individuellen und auf die Lebensumstände der Familie zugeschnittenen Gebärden-Wortschatz an die Hand zu geben. Nicht für jedes Kind sei jedes Wort gleich wichtig. Alle erlernten Gebärden werden in einem individuellen Gebärdenbilderbuch festgehalten, so dass sie von möglichst vielen Menschen aus dem Umfeld des Kindes erlernt und angewendet werden können.
Am 27. September 2022 wurde zum 41. Mal der HanseMerkur-Kinderschutzpreis verliehen.
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Um ihr Programm in die Breite zu tragen, haben von Maydell und Burmeister zudem ein Fachbuch geschrieben und bilden KUGEL-Trainerinnen und -Trainer aus, damit noch mehr Kinder und Eltern profitieren können. „Es ist immer schön zu sehen, wie sich die Eltern gegenseitig stärken und was sie alles voneinander lernen“, sagt Dorothee von Maydell. Größte Hoffnung der Initiatorinnen: dass KUGEL eines Tages von den Krankenkassen finanziert wird, so dass Familien überall in Deutschland die Möglichkeit haben, an einem KUGEL-Kurs teilzunehmen.
„Was Heike Burmeister und Dorothee von Maydell entwickelt haben, ist gelebte Inklusion. KUGEL befähigt Kinder mit einer globalen Entwicklungsstörung, ihre Eltern und ihr nahes Umfeld dazu, miteinander in den Dialog zu treten“, so Eberhard Sautter, Vorstandsvorsitzender der HanseMerkur. „Wir freuen uns, das Werner Otto Institut dafür mit dem HanseMerkur Preis für Kinderschutz auszeichnen zu dürfen.“