Wasserstoff FAchbeitrag - 2

Wasserstoff - das grüne Erdöl
Norddeutschland WIRD zum europäischen Hub für grünen H2

Von: Jörn Arfs - Mit freundlicher Genehmigung zur Veröffentlichung der IHK Nord

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Das Team vom Hereon-Institut für Wasserstofftechnologie in Geesthacht erforschte gerade, wie sich dieser neue Energieträger am besten erzeugen, transportieren und speichern lässt und wie eine optimale Versorgungsinfrastruktur aussehen sollte. Sie konzentrieren sich darauf, mobile Wasserstoffspeicher zu entwickeln und einen Unterbau für stationäre Energiesysteme zu konzipieren.


Auch vor einer endgültigen Marktreife seien einzelne „Business Cases“ heute schon absehbar, prognostiziert Klaus Taube, der stellvertretende Institutsleiter. Als Beispiel nennt er den Betrieb von Wasserstoff-Zügen auf nicht elektrifizierten Strecken, auf denen die Elektrifizierung teurer wäre als der Aufbau einer Versorgungsinfrastruktur mit H2. Beim Schwerlastverkehr oder der Stahlerzeugung ist eine Elektrifizierung nicht möglich und somit der Einsatz von grünem Wasserstoff die vielversprechendste Lösung für die Reduzierung des CO2-Fußabdruckes.

„Wasserstoff wird ebenfalls wirtschaftlich interessant, wenn es gelingt, am Stromregelmarkt teilzunehmen und ihn dann zu produzieren, wenn reichlich Überschussstrom vorhanden ist und negative Preise gezahlt werden.“ Neben vielen notwendigen technischen Verbesserungen, um die Kosten von Elektrolyseuren, Kompressoren, Speichern und Brennstoffzellen zu senken, werde es Taube zufolge wesentlich darauf ankommen, die regulatorischen Rahmenbedingungen so zu ändern, dass die Produktion grünen Wasserstoffs nicht noch künstlich verteuert werde. Von Seiten des Gesetzgebers müsse jetzt viel getan werden, um nicht unnötig die Verwendung fossiler Treibstoffe zu subventionieren bzw. ihre gesellschaftlichen Folgekosten entsprechend zu bepreisen – „Stichwörter: Dieselprivileg und CO2-Bepreisung“.


Die fünf nördlichen Bundesländer treiben das H2-Thema nach dem Motto „Nur gemeinsam sind wir stark“ seit 2019 mit zahlreichen Projekten und einer lange vermissten offiziellen Wasserstoffstrategie energisch voran. Bis 2030 sollen mit erheblichen Fördermitteln durch Bund und EU u. a. mindestens fünf Gigawatt eigene Elektrolyseleistung installiert und etwa 250 Wasserstofftankstellen (heute: 100) gebaut werden. Ganz oben auf der Agenda der „stärksten europäischen Zukunftsregion für H2“ steht eine enge und konstruktive Zusammenarbeit mit den Nachbarregionen im In- und Ausland und dem Bund. Jetzt muss diese bislang in Deutschland einmalige Strategie gemeinsam umgesetzt werden. Wie z. B. in dem jüngst vom Bundesministerium für Verkehr in Aussicht gestellten „Technologie- und Innovationszentrum Wasserstofftechnologie“ in den Bereichen Luftfahrt, Schifffahrt und Intralogistik für Hamburg, Stade, Bremen und Bremerhaven oder bei den in Bremen und Hamburg geplanten Großelektrolyseanlagen. In Bremerhaven soll durch Aufbau und Inbetriebnahme eines „Elektrolyse-Testfelds“ die Möglichkeit geschaffen werden, die elektrischen Eigenschaften von Elektrolyseuren im Zusammenspiel mit der flukturierenden Stromeinspeisung aus erneuerbaren Energien zu testen.


Eine Bündelung und Konzentration der Kräfte ist auch bei den fünf norddeutschen Wirtschaftsförderorganisationen geschehen. Sie haben im Dezember 2020 auf Initiative der IHK Nord, dem Bündnis von zwölf norddeutschen Kammern, ein Wasserstoff-Cluster bzw. die „Standortinitiative HY-5“ gebildet und entwickeln aktuell ein gemeinsames Marketingkonzept. Ein zusätzliches ambitioniertes Projekt ist das „Norddeutsche Reallabor“. In vier „geografischen Hubs“ in Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Hamburg entwickeln bis 2025 fünfzig Partner aus Wirtschaft und Forschung Konzepte für die Sektorenkopplung (Vernetzung der Sektoren der Energiewirtschaft (Elektrizität, Wärme- bzw. Kälteversorgung, Verkehr) mit der Industrie, um zu einer ganzheitlichen Betrachtung aller Sektoren zu kommen, die ein besseres Gesamtsystem ermöglicht; Anm. d. Verf.) und für die Nutzung von H2 für Industrie und Mobilität; Investitionsvolumen: 355 Mio. Euro (siehe Kasten: Interview mit Prof. Werner Beba, Projektkoordinator).


Der promovierte Physiker Taube vom Helmholtz-Zentrum Geesthacht Hereon blickt optimistisch in die nähere Wasserstoff-Zukunft Norddeutschlands „Ich bin zuversichtlich, dass wir bis 2030 schon erhebliche Teile unseres schienengebundenen Regionalverkehrs auf nicht-elektrifizierten Strecken sowie des LKW-Verkehrs auf Wasserstoffbasis sehen werden.“ Überdies würden die ersten Prototypen emissionsfreier und kleinerer Verkehrsflugzeuge (siehe: Interview mit Hamburgs Flughafenchef Michael Eggenschwiler) in der Luft sein. Und die Dekarbonisierung (Abkehr von der Nutzung kohlenstoffhaltiger Energieträger; Anm. d. Verf.) der Stahl- und Chemieindustrie durch den Einsatz regenerativ erzeugten grünen Wasserstoffs werde bis dahin auch große Fortschritte gemacht haben. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist für Klaus Taube dabei, die Wasserstofftechnologie nicht nur praktisch umzusetzen, sondern auch weitere Teile der Wertschöpfungskette in den Norden zu holen. Bisher gebe es nach seinen Informationen keinen einzigen Hersteller von Elektrolyseuren, Brennstoffzellen, Kompressoren oder Speichertanks, der in Norddeutschland produziert. Ähnlich sieht es im Verkehrsbereich aus, auch wenn bereits mit Wasserstoff angetriebene PKW und Busse in wachsender Zahl unterwegs sind und neben Flugzeugen und Brennstoffzellen-Zügen auch der Einsatz von emissionsfreien kleinen Fähren und Schiffen im Binnen- und Kurzstreckenseeverkehr geplant ist.


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