Spätestens seit #MeToo steht fest, dass Sexismus nicht nur im Europa-Parlament oder in Hollywood Schlagzeilen macht. Er gehört auch zum Alltag vieler erwerbstätiger Frauen. Doch wo fängt Sexismus an? Bei einem „unglücklichen“ Kompliment? Oder erst bei unerwünschtem Körperkontakt? Eine passende Trennschärfe zu finden und für sein Recht diesbezüglich einzustehen, fällt oftmals schwer.
Wer auf der Suche nach einer verbindlichen Definition für den Begriff Sexismus ist, wird merken, dass der Gesetzgeber keine pauschale Erklärung aufweisen kann. Im Volksmund wird in diesem Zusammenhang von bewusster und unbewusster geschlechtsspezifischer Diskriminierung gesprochen, wobei besonders Frauen betroffen sind. Laut einer Umfrage der Marktforschungsfirma Ifop erleben 68 Prozent aller befragten Frauen in Deutschland Sexismus im Job. Dabei sind die Grenzen zwischen tatsächlichem und unbeabsichtigtem Sexismus fließend. Ganz gleich ob verbal, nonverbal oder physisch – geschlechtsbedingte Diskriminierung weist verschiedene Ausprägungen auf. Unangebrachte Fragen mit sexuellem Hintergrund fallen ebenso unter diesen Begriff wie ständiges Hinterherpfeifen oder das Übersenden von pornografischen Inhalten. Selbst kurze physische Berührungen können eine Belästigung darstellen, sofern sie unerwünscht sind. Bei allen Erscheinungsformen gilt: Nicht die Beurteilung des Täters ist ausschlaggebend, sondern das Wohlbefinden der Betroffenen im Zusammenhang einer objektiven Betrachtung eines Dritten.
Über den Autor:
Felix Korten ist Rechtsanwalt und Vorstand der
Kanzlei Korten Rechtsanwälte AG mit Standorten in Hamburg, München und Göttingen. Darüber hinaus verfügt er über langjährige Erfahrung als Geschäftsführer mehrerer Gesellschaften. 2021 wurde er in den Senat der Wirtschaft berufen
„Sieh es doch als Kompliment!“
Anzügliche Bemerkungen, ungewollte Berührungen und sexuelle Anspielungen gehören zu den verbreitetsten Ausprägungen von Sexismus am Arbeitsplatz. Viele Frauen wissen oft nicht, wie sie damit umgehen sollen. Statt Entrüstung oder Ärger ist die erste Reaktion häufig Scham. Die Demütigung, die damit einhergeht, hinterlässt oft langfristige Spuren. Neben Unsicherheit und Selbstzweifeln kann ein solches Verhalten auch die Leistungsfähigkeit negativ beeinflussen und zu physischen sowie psychischen Schäden führen. Was also tun? Über dem herablassenden Kommentar oder den „Witzeleien“ stehen? Sie stillschweigend hinnehmen? Sexismus im Job zu ignorieren, genügt nicht, wenn Grenzen überschritten werden. Dem Gegenüber muss deutlich gemacht werden, dass ein solches Verhalten unangebracht ist. Im beruflichen Alltag heißt es für Betroffene zunächst auf die Intuition zu achten. Fühlt sich frau in der vorherrschenden Situation unwohl, belästigt oder genötigt, so gilt es zu reagieren, zum Beispiel indem sie direkt in die Offensive geht und das Bloßstellen des Gegenübers oder dessen Sexismus hinterfragt. Führt auch dies zu keiner Verbesserung der Situation, heißt es sich Hilfe zu suchen. Vertrauenspersonen innerhalb des eigenen Unternehmens oder Vorgesetzte, sofern sie sich nicht despektierlich verhalten, stellen dabei gute Ansprechpartner dar.
Kein Einzelfall, sondern ein Strukturproblem?
Im Rahmen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetze (AGG) ist der Arbeitgeber dazu verpflichtet, das Wohlergehen aller Mitarbeiter zu gewährleisten und diese vor Diskriminierungen, Mobbing und Benachteiligungen zu schützen. Haben Betroffene das Gefühl, dass die Fürsorgepflicht nicht ausreichend eingehalten wird, stehen ihnen drei Handlungsoptionen zur Verfügung. Beginnend mit § 13 AGG kann eine Beschwerde eingereicht werden, die es vom Betrieb zu prüfen gilt. Sollte dies zu keinem Ergebnis führen, steht es Beschäftigten frei, auf Grundlage von § 14 AGG die Tätigkeit ohne Gehaltseinbußen einzustellen, sofern dies dem eigenen Schutz dient. Darüber hinaus besteht laut § 15 AGG ein Anspruch auf Entschädigung und Schadensersatz, der jedoch einer zweimonatigen schriftlichen Frist unterliegt. Grundsätzlich heißt es für Unternehmen mithilfe eines Verhaltenskodexes Richtlinien für einen respektvollen und rücksichtsvollen Umgang untereinander zu schaffen. Präventiv organisierte Workshops helfen dabei, ein funktionierendes Gemeinschaftsgefüge zu bilden und gleichzeitig gegen sexistisches Verhalten zu sensibilisieren. Betriebsversammlungen bieten die Möglichkeit, bereits geschehene Vorfälle anonymisiert zur Sprache zu bringen und zusätzlich Aufmerksamkeit zu generieren. Auf diese Art und Weise ist ein erster Schritt für ein chancengleiches Unternehmen getan, auf den jedoch viele weitere folgen müssen. Schließlich stellt Sexismus nicht nur ein Problem für Frauen, sondern für alle Geschlechter dar. Auch wenn der Weg bis zu einem respektvollen Miteinander lang ist, lohnt es sich, diesen zu gehen.