Hamburg, 3. September 2024. Der Bildungsmonitor für alle 16 Bundesländer wird vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln seit 2004 im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft erstellt, inzwischen zum 21. Mal. Die anhand von 13 Handlungsfeldern und 98 Indikatoren gefertigte Studie ermittelt, inwieweit ein Bundesland die Bildungsteilhabe verbessert, zur Fachkräftesicherung beiträgt und Wachstum fördert. Jetzt liegen die neuesten Daten für die norddeutschen Bundesländer vor:
Nach dem vierten Platz im Gesamtranking der 16 Bundesländer in den vergangenen beiden Jahren hat es Hamburg im Bildungsmonitor 2024 wie schon 2021 wieder auf
Platz drei hinter Sachsen und Bayern
geschafft.
Besondere Stärken bilden erneut die Kategorien Internationalisierung, Inputeffizienz, Förderinfrastruktur und Berufliche Bildung. 98,6 Prozent der Grundschülerinnen und -schüler besuchten 2022 in Hamburg eine Ganztagsschule, der Bundesdurchschnitt kommt bei dieser Förderinfrastruktur gerade einmal auf die Hälfte (49,5 Prozent). Hamburg hält hier den ersten Platz unter allen Bundesländern. In der Sekundarstufe sieht das Bild ähnlich aus.
Peter Golinski: „Hamburg hat als Langstreckenläufer für bessere Bildung über viele Jahre hinweg die richtigen Prioritäten gesetzt: Die intensive Betreuung der Schülerschaft durch einen frühen und konsequenten Ausbau des Ganztagsangebots steht dabei an vorderster Stelle. Auch der erste Platz bei der Internationalisierung ist mit einem Anteil von 98,8 Prozent der Grundschülerinnen und -schüler mit Fremdsprachenunterricht und knapp 85,9 Prozent bei Berufsschülerinnen und -schülern hervorragend, der Wert liegt fast doppelt so hoch wie im Bund. Der Anteil der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge liegt mit 71,9 Prozent über dem Bundesdurchschnitt. Die Schüler-Lehrer-Relation hat sich in Hamburg so gut entwickelt, dass jetzt der Platz zwei unter allen Bundesländern erreicht wird. Nur bei den wichtigen Indikatoren Bildungsarmut und Schulqualität landet Hamburg trotz leichter Verbesserungen auf dem 10. Rang und bleibt hinter den Erwartungen zurück“, so der Arbeitgebervertreter.
Auf die
Grundkompetenzen Mathematik, Lesen und Hörverstehen müsse noch ein größerer Fokus gelegt werden, betont Golinski. „Sie sind essenziell für einen erfolgreichen Übergang in das Berufsleben. Die systematisierte Sprachstandserhebung vor der Grundschule und die Sprachförderung Zugewanderter legen wichtige Grundlagen für spätere Lernerfolge, sie sollten früher und noch intensiver stattfinden. Hamburg beweist insgesamt, dass der Niedergang der schulischen Bildung und die Chancenminimierung vor allem unter Schülerinnen und Schülern mit ausländischen Wurzeln kein Gottgegebenes Großstadtschicksal sind.“
Niedersachsen rutscht im Bildungsmonitor 2024 im Vergleich zum vergangenen Jahr um einen Rang von Platz sieben auf
Platz acht ab. „Der mittlere Platz unter allen 16 Bundesländern ist vor allem einer entwicklungsschwachen Bildungspolitik geschuldet, die den Stillstand verwaltet“, konstatiert
Peter Golinski, Geschäftsführer Bildung, Arbeitsmarkt, Fachkräfte bei NORDMETALL und AGV NORD. Und dass, obwohl sich Niedersachsen im Vergleich zu den Gesamtausgaben pro Einwohner des Landes weiterhin einen relativ hohen Bildungsetat für Grundschülerinnen und Grundschüler leistet. Das Gleiche gilt im Bereich der beruflichen Schulen und der Hochschulen. Auch der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg beim Lesen fällt geringer aus als in anderen Bundesländern.
Überdurchschnittlich hoch ist jedoch der Anteil ausländischer Schulabbrecherinnen und Schulabbrecher (18,9 Prozent gegenüber 16 Prozent im Bundesdurchschnitt). Im Vergleich niedrig bleibt der Anteil der Bildungsausländer (Studienberechtigung im Ausland erworben) mit 10,7 Prozent gegenüber 13 Prozent im Bundesdurchschnitt. Schwach ist der Anteil der Grundschülerinnen und -schüler sowie der Berufsschülerinnen und -schüler, die in Fremdsprachen unterrichtet werden (47,4 in Niedersachsen gegenüber 52,8 Prozent bundesweit, beziehungsweise 39,8 Prozent zu 49,9 in Berufsschulen). Als Hochschulstandort landet das Land nur auf dem 12. Rang.
Peter Golinski: „Niedersachsen läuft Gefahr, bei der Internationalisierung und im Hochschulbereich den Anschluss zu verlieren. Die Sprachkompetenzen und der Anteil ausländischer Studierender gewinnen für den Arbeitsmarkt rasant an Relevanz. Hier muss das Land unbedingt nachlegen. Stillstand im Mittelmaß darf in Hannover nicht das Motto der Bildungspolitik sein.“
Schleswig-Holstein fällt im Bildungsmonitor 2024 im Vergleich zum Vorjahr um einen Rang auf
Platz zehn unter den 16 Bundesländern zurück. Zwar hat sich das Land in der Kategorie Zeiteffizienz von Platz sieben auf Platz zwei verbessert, was die geringe Wiederholerquote in Grundschulen und der Sekundarstufe I belegt. Auch bei Bildungsarmut und Schulqualität hat Schleswig-Holstein bei den Kompetenzerhebungen für Neunt- und Viertklässler leicht überdurchschnittlich abgeschnitten und mit 67,5 Prozent eine deutlich höhere Absolventenquote im Berufsvorbereitungsjahr als im bundesweiten Durchschnitt (51,9 Prozent).
Jedoch rutschte Schleswig-Holstein bei der Inputeffizienz von Platz elf auf
Patz 16
ab: Die Relation von Sach- zu Personalausgaben ist recht gering, an Hochschulen liegen die Werte bei 31,5 Prozent zu 42,3 Prozent im Bund. Zudem fallen überdurchschnittlich viele Lehrkräfte wegen Dienstunfähigkeit aus.
Im Bereich
Hochschule mit besonderem Fokus auf MINT weist nur Brandenburg schlechtere Ergebnisse als Schleswig-Holstein auf. Mehr Studienanfängerinnen und -anfänger verließen das Land als aus anderen Bundesländern zuzogen. Insgesamt ist die Nachwuchsquote an Akademikerinnen und Akademikern allgemein und speziell die an Ingenieuren unterdurchschnittlich.
Die
Ganztagsbetreuung vom Kindergarten bis zur Sekundarstufe I ist dringend ausbaufähig: Bei der Förderinfrastruktur liegt das Land auf dem drittletzten Rang, vor allem die Ganztagsquote in Grundschulen (31,9 Prozent zu 49,5 im Bundesdurchschnitt) und der Sekundarstufe I (38,6 zu 48,6) ist schlecht. Immerhin: Das Land hat im Juni 2024 eine Förderrichtlinie zum Ganztag verabschiedet und investiert gemeinsam mit dem Bund 196 Millionen Euro in diesem Bereich.
Peter Golinski: „Die Landesregierung liegt richtig, wenn sie die Investitionen der Mittel aus dem Startchancenprogramm des Bundes und der Förderrichtlinie Ganztag des Landes nutzt, um den Ganztagsausbau voranzubringen, die Senkung der Schulabbrecherquote anzugehen und die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die die Mindeststandards nicht erreichen, bis 2034 zu halbieren.“
Mecklenburg-Vorpommern rutscht beim Bildungsmonitor 2024 im Ranking aller 16 Bundesländer im Vergleich zum Vorjahr um zwei Plätze ab und fällt auf Rang 13 zurück. „Selbst in den bisher starken Kategorien schwächelt der Nordosten“, konstatiert Peter Golinski.
In den bisherigen Stärken-Kategorien
Forschungsorientierung
(4. Rang),
Integration (7. Rang) und
Bildungsarmut (7. Rang) verliert das Land im Vergleich zum Vorjahr Plätze und rangiert nur noch im Mittelfeld der Bundesländer. Einzelne Indikatoren wie die
Ganztagsbetreuung in Kitas und in der Sekundarstufe I für je 73,3 Prozent der Kinder (Bund 48,6 Prozent), die Studienberechtigtenquote ausländischer Jugendlicher und die höchste Promotionsquote im bundesweiten Vergleich stechen positiv hervor.
Jedoch haben sich deutlich mehr Indikatoren negativ entwickelt: Die
Betreuungssituation (Relation Kinder/Jugendliche zu Betreuer/Lehrer) ist von der Kita bis hin zur beruflichen Schule
unterdurchschnittlich.
Alarmierend gestiegen ist die Zahl der Schulabgängerinnen und Schulabgänger ohne Abschluss, die bei 10,1 Prozent liegt. Im Hochschulbereich ist der Anteil der Absolventen mit ingenieurswissenschaftlichem Studienabschluss ungenügend (11,5 Prozent unter allen Absolventen im Vergleich zu 17,2 bundesweit).
Peter Golinski: „Die Entwicklung geht in Mecklenburg-Vorpommern ganz eindeutig in die falsche Richtung: Selbst die Stärken des Landes in der Bildungspolitik sind im Vergleich zum Vorjahresranking schwächer geworden. Mecklenburg-Vorpommern macht zu wenig aus der eigentlich guten Ganztagssituation, auch weil Lehrkräfte fehlen. Das Land muss theoretisch jährlich 1.000 Lehrerinnen und Lehrer einstellen, die Zahl der Lehramtsabsolventen reicht dafür allerdings nicht aus. Das Lehrerbildungsgesetz muss nun endlich verabschiedet werden, um den Beruf für mehr Menschen attraktiv zu machen. Außerdem braucht es neue, kreative Konzepte, um die Lehrkräftelücke zu schließen. Die Schulabbrecherquote muss dringend mit zusätzlichen Fördermaßnahmen gesenkt werden, um negative Konsequenzen für das Berufsleben und das Risiko von Arbeitslosigkeit zu senken.“
Bremen belegt im Bildungsmonitor 2024 zum vierten Mal hintereinander den letzten Platz unter allen 16 Bundesländern, als Schlusslicht in fünf von 13 Kategorien der Untersuchung. Nirgendwo sonst in einem deutschen Bundesland ist die Bildungsarmut so hoch, die Schulqualität so schlecht, die Förderinfrastruktur und die Priorisierung der Ausgaben für Bildung so schwach und die Integration so breit gescheitert.
Bei den
Grundkompetenzen Mathematik, Lesen und Hörverstehen gehören die Viertklässler in Bremen zur höchsten Risikogruppe. Die Schulabbrecherquote ist auf 9,2 Prozent gestiegen (Bund: 6,8 Prozent).
Besonders alarmierend: Fast ein Viertel der ausländischen Schulabgänger (24,9 Prozent) erreichen keinen Schulabschluss.
Unterdurchschnittlich ist auch die Ganztagsbetreuung vom Kindergarten über die Grundschule bis zur Sekundarstufe I.
Einzig bei der Bewertung der Betreuungsbedingungen, also der Schüler-Lehrer-Relation in Grundschulen, sowie bei den Klassengrößen in Grundschule und Sekundarstufe I erreicht Bremen einen guten dritten Platz.
Spitzenreiter ist das Land nur im Bereich der Hochschulen und MINT-Fächer, also bei der Akademikerersatzquote (Relation der Hochschulabsolventen an der 15- bis 65-jährigen Bevölkerung mit einem Hochschulabschluss) sowie beim Anteil der MINT-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler am gesamten wissenschaftlichen Personal.
„Bremen ist zum Bildungsnotstandsland heruntergekommen“, kommentiert Peter Golinski das desaströse Ergebnis. „Die seit Jahren erkennbaren Defizite bei der Einhaltung von Bildungsstandards in den Grundkompetenzen werden immer größer, die Ausgangsbedingungen für Schülerinnen und Schüler sind sehr schlecht, vor allem für die mit ausländischen Wurzeln: Wenn fast jeder zehnte Jugendliche die Schule ohne Abschluss verlässt, und ein Viertel aller Schülerinnen und Schüler mit nicht-deutscher Herkunft darunter ist, dann läuft etwas ganz grundsätzlich falsch. Der Senat muss sich fragen lassen, wann er endlich Konsequenzen zieht. Dazu gehört die zielgerechte Verwendung von rund zehn Millionen Euro aus dem Startchancenprogramm des Bundes bis 2034, um Bildungsarmut zu bekämpfen, die Ganztagsangebote auszubauen, die Grundkompetenzen in der Schülerschaft zu steigern und bei der Integration ausländischer Schülerinnen und Schüler neu anzusetzen. Sollte hier nicht massiv umgesteuert werden, wird es dabei bleiben, dass rund drei Viertel aller Schulabbrecher auch keine Berufsqualifikation erreichen und mehr als jeder fünfte arbeitslos ist. Diesen Teufelskreis von Bildungsnotstand und sozialem Abstieg muss Bremen endlich durchbrechen“, so der Arbeitgebervertreter.
Alle Ergebnisse: https://insm.de/bildungsmonitor-2024
Detailergebnisse Schleswig-Holstein
Detailergebnisse Hamburg
Detailergebnisse Bremen
Detailergebnisse Mecklenburg-Vorpommern
Detailergebnisse Niedersachsen