Koalitionsvertrag
Union und SPD starten Infrastruktur-Offensive Chancen für Norddeutschland
Berlin/Hamburg – Die große Koalition in Berlin hat ein umfassendes Investitionspaket beschlossen, das weitreichende Folgen für die norddeutsche Wirtschaft haben dürfte. Mit beschleunigten Genehmigungs-verfahren, einem milliardenschweren Sondervermögen und einer nationalen Hafenstrategie wollen CDU und SPD Deutschlands Infrastruktur fit für die Zukunft machen.
Schneller bauen, zügiger wachsen
Einer der Kernpunkte der Einigung: Planungs- und Bauverfahren sollen deutlich beschleunigt werden. Ersatzneubauten wie Hamburgs Köhlbrandbrücke könnten damit schneller realisiert werden. Auch der stockende Ausbau von A26-Ost und A20 soll von den Reformen profitieren. Eine Reform des Verbandsklagerechts soll außerdem verhindern, dass große Projekte jahrelang blockiert werden.
Beschlossen wurde eine umfassende Wohnraumoffensive. Ziel ist es, in der laufenden Legislaturperiode 1,5 Millionen neue Wohnungen zu bauen, um der Wohnraumknappheit in Deutschland entgegenzuwirken. Dabei sollen sowohl freifinanzierte als auch öffentlich geförderte Wohnungen entstehen. Besonderer Fokus liegt auf der Förderung bezahlbaren Wohnraums, um insbesondere Familien, Alleinerziehenden und Menschen mit niedrigem Einkommen besseren Zugang zum Wohnungsmarkt zu ermöglichen. Zusätzlich soll der soziale Wohnungsbau weiter gestärkt und durch finanzielle Mittel aus dem Bundeshaushalt unterstützt werden.
Die Regierung verspricht sich von diesem Vorhaben nicht nur eine Entlastung der Ballungszentren, sondern auch wirtschaftliche Impulse für die Bauwirtschaft insgesamt. Die Wohnraumoffensive gilt als zentrales Projekt der neuen Regierungskoalition und soll durch eine Vereinfachung von Genehmigungsverfahren und moderne Bauvorgaben flankiert werden. VNW-Direktor Andreas Breitner bewertet den in Berlin vorgelegten Koalitionsvertrag wie folgt:
"Der Koalitionsvertrag ist geeignet, die Grundlage für mehr bezahlbaren Wohnraum zu bilden.
Er lässt im Klimaschutz praktische Vernunft walten und dient damit ohne ideologischen Eifer der Sache. Der Koalitionsvertrag nimmt den Fokus von der Energieeffizienz und erklärt die CO2-Reduktion zur zentralen Steuerungsgröße. Hierdurch werden sowohl für die Mieter- als auch für die Vermieterseite dramatisch Kosten reduziert. Gut so. Der Wohnungsbau-Turbo wird mit den Maßnahmen zur Baubeschleunigung eingeschaltet. Gut sind der Ausbau der Förderung und die geplante Vereinfachung von Bau-, Planungs- und Umweltrecht.
Ich begrüße das klare Bekenntnis zu mehr Wohnungsbau in Deutschland, zur Förderung des genossenschaftlichen Wohnens und zur Bedeutung der kommunalen Wohnungsunternehmen.
Die Wählerinnen und Wähler haben bestellt und die Koalitionäre liefern. "
Häfen rücken in den Fokus
Mit einer Nationalen Hafenstrategie will die Bundesregierung den deutschen Seehäfen neuen Schub verleihen. Vorgesehen ist eine stärkere finanzielle Beteiligung des Bundes – ein lange gehegter Wunsch vor allem aus Hamburg und Bremerhaven. Ziel: Die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Rotterdam oder Antwerpen stärken. Die Präsidentin des Zentralverbandes der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) Präsidentin Angela Titzrath:
„Die Einigung auf einen Koalitionsvertrag ist ein wichtiges Signal. Jetzt kommt es darauf an, schnell handlungsfähig zu werden – denn die Herausforderungen sind groß und dulden keinen Aufschub.
Die deutschen Seehäfen sind unverzichtbar für die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit, die Energiewende und die sicherheitspolitische Neuausrichtung. Dafür brauchen sie klare politische Priorität, gezielte Investitionen und eine strategische Verankerung in der Zukunftsagenda der Bundesregierung.“
500 Milliarden Euro – Lockerung der Schuldenbremse bringt Spielraum
Der Bundesrat hat zudem den Weg für ein Sondervermögen in Höhe von 500 Milliarden Euro freigemacht. Damit wird die Schuldenbremse teilweise gelockert – ein Schritt, der vor allem von den norddeutschen Bundesländern begrüßt wird. 100 Milliarden Euro sind direkt für Länder und Kommunen vorgesehen. Sie sollen in Infrastruktur, Digitalisierung und Bildung fließen.
Hamburg: Lob und Forderungen
Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) begrüßte die Entscheidung, machte aber deutlich, dass eine Anpassung der Landesverfassung nötig sei, um das neue Kapital auch abrufen zu können. Die CDU forderte unterdessen entschlossenes Handeln vom rot-grünen Senat. „Jetzt müssen die Projekte schnell auf die Straße gebracht werden“, sagte der Hamburger Bundestagsabgeordnete Christoph Ploß.
Kritik an möglicher Schuldenlast
Während die Wirtschaft der Hansestadt große Chancen sieht, kommen aus anderen Ecken mahnende Stimmen. Der CDU-Wirtschaftsrat warnt vor ineffizientem Mitteleinsatz. Auch der Bund der Steuerzahler zeigt sich skeptisch – und befürchtet, dass die Investitionen langfristig auf Kosten der Haushaltsdisziplin gehen könnten. Licht und ziemlich viel Schatten: So bewertet der Bund der Steuerzahler (BdSt) den 144-seitigen Koalitionsvertrag „Verantwortung für Deutschland“, den die Spitzen von Union und SPD heute vorgestellt haben. „Das Papier zeigt kleinteilige steuerliche Regelungen, die zwar für Verbesserung sorgen, aber nicht in eine große Steuerreform eingebettet sind. Bei vielen auch haushaltspolitischen Einzelmaßnahmen stimmt zwar die Richtung, doch der große Wurf bleibt aus. Dieser Koalitionsvertrag ist eine durchaus solide Arbeitsgrundlage mit Ankündigungen und Vorsätzen, die sich in der Praxis erst noch beweisen muss.“ BdSt-Präsident Reiner Holznagel: „Dieser Koalitionsvertrag basiert auf einer teuren Grundlage – auf der faktischen Abschaffung der grundgesetzlichen Schuldenbremse. Die Folge wird eine massive Staatsverschuldung sein, die vor allem zulasten künftiger Steuerzahler-Generationen geht.“
Hoffnung setzt Hjalmar Stemmann, Präsident der Handwerkskammer Hamburg in die Senkung von Unternehmenssteuern gerade auch für mittelständische Betriebe, in die Steuerfreiheit für Überstunden sowie in weniger Stromsteuern und Netzentgelte: "Von Bedeutung für unsere kleinen und mittleren Betriebe und deren Beschäftigte sind auch Signale in Richtung Bürokratieabbau, begonnen mit der Abschaffung der Bonpflicht. Wichtig wird darüber hinaus sein, inwieweit der Vertrag konkrete Aussagen zu Strukturreformen enthält, die als Gegengewicht zur erheblichen Neuverschuldung durch die Sondervermögen notwendig sind.“
Für Norddeutschland, wo viele Infrastrukturprojekte seit Jahren auf Eis liegen, könnten die Beschlüsse ein echter Gamechanger sein. Ob daraus tatsächlich ein Modernisierungsschub wird, dürfte sich in den kommenden Monaten zeigen – vor allem auf Landesebene.
JM/NW