Koalitionsvertrag enthält Lichtblicke, ist aber zu zaghaft
Raktionen der norddeutschen Wirtschaft zum von CDU/CSU und SPD ausgehandelten Koalitionsvertrag
Hamburg/Kiel, 10. April 2025. Der Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD wird von führenden Vertretern der norddeutschen Wirtschaft überwiegend als notwendig und teilweise positiv bewertet, jedoch auch als zu zaghaft und reformunwillig kritisiert. Sie erkennen darin wichtige und teils richtige Ansätze, kritisieren jedoch vor allem das Ausbleiben tiefgreifender Strukturreformen, die Belastung durch Sozialabgaben sowie Eingriffe in die Tarifautonomie. Positiv hervorgehoben werden die Abschaffung des Lieferkettengesetzes, steuerliche Erleichterungen und der Bürokratieabbau – sofern sie entschlossen umgesetzt werden.
Dr. Nico Fickinger Hauptgeschäftsführer der norddeutschen Arbeitgeberverbände NORDMETALL und AGV NORD begrüßt die Einigung als „wichtiges Zeichen“ angesichts der ernsten Welt- und Wirtschaftslage. Eine
stabile Regierung sei „unverzichtbar“. Positiv sieht er
steuerpolitische Maßnahmen wie die Einführung besserer Abschreibungsregeln und die geplante Senkung der Körperschaftsteuer
– kritisiert jedoch die späte und schrittweise Umsetzung: „ein klares Manko“.
Die steuerliche Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen werde durch den Fortbestand des Solidaritätszuschlags relativiert: „Das belastet vor allem Familienunternehmen.“ Die Rentenpolitik sei zu zaghaft. Zwar sei die Aktivrente sinnvoll, aber das Rentensystem bleibe unangetastet: „Das ist fahrlässig.“ Besonders warnt Fickinger vor steigenden Sozialabgaben: „Arbeit in Deutschland wird noch teurer – und Arbeitsplätze geraten unter Druck.“ Auch im Tarifrecht sieht er problematische Eingriffe in die Tarifautonomie, etwa durch Mindestlohnvorgaben: „Das ist unverzeihlich.“
Sein Fazit: „Die Koalition hat Chancen, in die richtige Richtung zu gehen. Doch sie muss wirtschaftspolitisch entschlossener und konsequenter werden.“
Dr. Philipp Murmann, UVNord-Präsident, bewertet den Vertrag als „erwarteten Kompromiss“, der „mehr Licht als Schatten“ für den Norden biete. Er bemängelt fehlende Strukturreformen in Gesundheit, Pflege und Rente sowie die starre Regelung beim Renteneintrittsalter. Die Folge seien steigende Sozialbeiträge, die „wie eine Strafsteuer auf Arbeit“ wirken. Positiv sieht er steuerliche Anreize für Mehrarbeit und das Ziel, Bürokratie um 25 Prozent abzubauen – „entscheidend ist hier aber der wirkliche Reformwille“.
Das Bekenntnis zur Mindestlohnkommission wird konterkariert durch Vorgaben für den künftigen Mindestlohn. Die Tarifautonomie und Sozialpartnerschaft bleiben in einer politischen Gefahrenzone.
Das Ziel eines Bürokratieabbaus von 25 Prozent sei, so Murmann grundsätzlich positiv zu bewerten, hier käme es aber entscheidend auf die Umsetzung und den wirklichen Reformwillen an. Kritisch sieht Murmann die Eingriffe in die Mindestlohnfindung: „Die Tarifautonomie und Sozialpartnerschaft bleibt in einer politischen Gefahrenzone.“
Die zwei wichtigsten positiven Aspekte für uns sind erstens, dass wir eine handlungsfähige Regierung bekommen und zweitens, dass sie begrüßenswert in die Verteidigungsfähigkeit unseres Landes investiert, und das Lieferkettengesetz abschafft.
Besonders begrüßt werden zwei Punkte: „erstens, dass wir eine handlungsfähige Regierung bekommen und zweitens, dass sie begrüßenswert in die Verteidigungsfähigkeit unseres Landes investiert, und das Lieferkettengesetz abschafft.“ Sein Appell: „Zukunft passt nicht vollständig in Koalitionsverträge.“ Anpassungsfähigkeit sei gefragt.
Geschäftsführer der Handelskammer Hamburg Dr. Malte Heyne sieht im Vertrag „richtige Schritte“, etwa die Senkung der Stromsteuer, schnellere Genehmigungsverfahren und die Abschaffung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes. Auch das „Bekenntnis zur Technologieoffenheit im Klimaschutz“ sei positiv. Jedoch kritisiert er die Vernachlässigung der deutschen Seehäfen: „Völlig unverständlich ist, dass die Stärkung der deutschen Seehäfen im Vertrag kaum eine Rolle spielt – gerade angesichts ihrer enormen Bedeutung für den deutschen Außenhandel und unsere Versorgungssicherheit." Insgesamt seien die Maßnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit „nicht weit genug“ und mutige wirtschaftspolitische Reformen blieben aus.
JM/NW