Hamburg, Oktober 2024. Mobbing und Gewalt zu stoppen, braucht Mut: Dafür setzt sich der in Bielefeld ansässige Helden-Verein für nachhaltige Bildung und Persönlichkeitsentwicklung e.V. mit seinem herausragenden Projekt „Heldenakademie“ ein und erhält für sein beispielhaftes Engagement den HanseMerkur Preis für Kinderschutz. Mit der bundesweit renommierten Auszeichnung für außergewöhnliche Leistungen im Bereich des Kinder- und Jugendschutzes würdigt die HanseMerkur das Eintreten für einen stabilen Werte- und Normenrahmen gegen Bedrohungen durch (Cyber-)Mobbing und Gewalt. Der Helden-Verein für nachhaltige Bildung und Persönlichkeitsentwicklung e.V. wird mit einem Hauptpreis ausgezeichnet und erhält 20.000 Euro zur weiteren Förderung seiner Projekte.
„Von jetzt auf gleich war da dieses Gefühl ganz allein dazustehen. Von den vorher besten Freunden ignoriert, während andere dich ständig beleidigen und Gerüchte über dich verbreiten. Dann wurde ich aus Chat-Gruppen entfernt und ich wusste einfach nicht, was ich falsch gemacht hatte.“ – Teilnehmerin Mia, 13 Jahre, über ihre Erfahrung mit Mobbing.
Mias Erfahrung ist kein Einzelfall. Fast zwei Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland sind von (Cyber-)Mobbing betroffen, was zu geringem Selbstwertgefühl, Schlafstörungen, Depressionen, Suizidgedanken und Suizid führen kann. Die Corona-Pandemie hat die Situation noch zusätzlich verschärft, da Mobbing sich ins Internet verlagert hat. Seit der letzten Cyberlife-Studie im Jahr 2017 ist der Wert der Opfer um 36 Prozent gestiegen. Diesem Negativtrend stemmt sich der Bielefelder
Helden-Verein für nachhaltige Bildung und Persönlichkeitsentwicklung e.V. entgegen.
Mit dem Programm
„Heldenakademie“ werden junge Menschen zu Heldinnen und Helden des Alltags. Sie übernehmen Verantwortung, verteidigen ihre Werte und Wünsche und greifen ein, wenn nötig. Um viele Schülerinnen und Schüler zu erreichen, kooperiert der Verein mit Jugendherbergen in ganz Deutschland. Diese bieten eine besondere Atmosphäre, die für das Programm ideal ist.
„Eine
Heldenakademie kann ein bis drei Tage dauern. Die Inhalte wählen wir nach einem Baukastenprinzip, je nach Alter und Zeit“, erklärt
Thorsten Kröber, Gründer des Vereins. Die Akademie beginnt in einem Kreis, sodass alle Teilnehmenden sich sehen und wahrgenommen fühlen. Eine der leitenden Personen teilt mit einer Schulklasse ihre persönlichen Erfahrungen über die Auswirkungen von Mobbing, einschließlich der schmerzlichen Folgen, die es haben kann, wenn solche Probleme unbemerkt bleiben. Eine sonst sehr lebhafte Klasse wird während dieser eindringlichen Schilderung ruhig. Solche persönlichen Erfahrungen dienen oft als „Eisbrecher“ und schaffen direkt zu Beginn eine intime Atmosphäre. Diese Form der persönlichen Vorstellungsrunde bildet stets den Auftakt der Akademie und ermutigt die Teilnehmenden, sich ebenfalls zu öffnen.
Ein weiterer wichtiger Baustein ist die Methode zur Erfahrbarmachung des so genannten „Bystander-Effekts“ (Zuschauereffekts). Eine Person steht in der Mitte des Kreises und stellt eine Frage, die mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet wird. Alle, die mit „Ja“ antworten, müssen aufstehen und sich einen neuen Platz suchen. Diese Übung zeigt, wie stark unser Verhalten von der Gruppe beeinflusst wird.
Die diesjährigen Anerkennungspreisträger
„Aktion Zivilcourage“ e.V., Pirna - „Couragierte Kinder“
Der Verein „Aktion Zivilcourage e.V.“ setzt sich mit seinem Projekt „Couragierte Kinder“ für die Förderung von Demokratie und Sozialkompetenzen bei Kindern ein. Seit 2017 sensibilisiert das Programm Kinder in Kitas, Horten und Grundschulen für ein respektvolles, gewaltfreies Miteinander und bietet ihnen sowie pädagogischen Fachkräften Trainings zu Konfliktlösung und Teambuilding. Ziel ist es, bereits die Jüngsten für demokratische Werte und Empathie zu begeistern, um eine starke und friedliche Gemeinschaft ohne Extremismus aufzubauen. Mehr
Bananenflankenliga e.V., Deutschland
„Nationales Trainingslager und nationaler Spieltag“
Der Bananenflankenliga e.V. bietet Kindern mit geistiger Beeinträchtigung eine inklusive Plattform, um aktiv Fußball zu spielen und Erfolgserlebnisse zu sammeln. In diesem innovativen Fußballprojekt steht die Förderung von Persönlichkeit und sozialen Kompetenzen im Mittelpunkt. Durch das Fußballspielen und erlebnispädagogische Ansätze werden das Selbstwertgefühl gestärkt und positive Emotionen geweckt. Die Liga ist deutschlandweit vertreten und in gemeinnützigen Vereinen an verschiedenen Standorten organisiert. Mehr
Dup15q e.V., Hofheim am Taunus
Der Dup15q e.V. wurde 2020 gegründet, um Familien von Kindern mit dem seltenen Dup15q-Syndrom zu unterstützen. Die genetische Erkrankung führt zu motorischen, sprachlichen und kognitiven Entwicklungsstörungen sowie schwer behandelbarer Epilepsie. Der Verein bietet betroffenen Familien umfassende Informationen, fördert Forschungsprojekte und setzt sich für eine spezialisierte klinische Versorgung ein. Ein großer Erfolg war die Einrichtung einer interdisziplinären Spezialsprechstunde am Universitätsklinikum Heidelberg, die betroffenen Kindern nicht nur medizinische Hilfe, sondern auch langfristige Unterstützung im Alltag bietet. Das Engagement des Vereins schärft das Bewusstsein für die Krankheit und verbessert die Lebensqualität der Betroffenen.
War Child Deutschland „TeamUp“, Hamburg und Berlin
War Child unterstützt mit dem Projekt „TeamUp“ geflüchtete Kinder, die durch Krieg und Gewalt Traumatisches erlebt haben, wie aktuell bei Kindern aus der Ukraine und anderen Kriegs- und Krisengebieten der Welt. Das Programm nutzt Spiel, Bewegung und Routinen, um diesen Kindern in einem sicheren Umfeld zu helfen, ihre belastenden Erfahrungen zu verarbeiten. „TeamUp“ wird in Hamburg und Berlin in mehreren Einrichtungen durchgeführt und bietet den Kindern Raum, ihre Emotionen zu äußern und wieder Selbstbestimmtheit zu erleben. Mehr
Der Coach fragt in der Diskussion: „Warum werde ich unsicher? Entscheide ich selbst, ob ich aufstehe?“ Und er erklärt: „Die Übung zum Bystander-Effekt ist die Grundlage unserer Heldenakademie. Hierauf bauen wir mit weiteren Übungen auf, um die Schülerinnen und Schüler für ihr eigenes Verhalten zu sensibilisieren. Denn wenn ein Fehlverhalten wie Mobbing in einer Klasse geduldet wird und keiner etwas dagegen sagt, kann die Situation schneller eskalieren, als es die Schülerinnen und Schüler vorhersehen können.“
Die Heldenakademie richtet sich an alle Schularten und Jahrgangsstufen. Neben den Schülern können auch Lehrkräfte und Eltern einbezogen werden. „Noch mehr mit Lehrkräften und Eltern zu arbeiten, wäre präventiv ein großer Schritt, um (Cyber-)Mobbing entgegenzuwirken. Leider fehlen oft die Ressourcen“, berichtet Thorsten Kröber.
Um für die präventive Arbeit der Heldenakademie Coaches auszubilden, hat der Helden e.V. sein eigenes Ausbildungsprogramm entwickelt. Gesucht werden Menschen, die Erfahrung in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen haben. Viel wichtiger ist jedoch die persönliche Motivation der Bewerber. Die Ausbildung findet drei Wochen am Stück in einem Selbstversorgungshaus statt, damit die Teilnehmer als Gruppe zusammenwachsen. „Darauf aufbauend lässt sich das Wirkmodell des Vereins am verständlichsten erklären und die Teilnehmenden lernen, sich ehrliches Feedback zu geben“, erklärt Thorsten Kröber.
Für die Schüler aus Jever endet die Heldenakademie mit einem letzten Baustein, der Übung „Escape Rooms“. Emma ist spurlos verschwunden, und die Schülerinnen und Schüler müssen anhand von Fotoalben, Tagebüchern und Chatverläufen auf Emmas Tablet Hinweise finden, wo sie sich aufhält. Diese fiktive Geschichte verdeutlicht eindringlich einen Cybermobbing- bzw. Cybergrooming-Fall und sensibilisiert die Teilnehmenden für ihre eigene Mediennutzung und eventuell dissoziales Verhalten.
Die bestärkende Wirkung der „Heldenakademie“ auf Werte und Normen junger Menschen begeistert auch Eberhard Sautter, Vorstandsvorsitzender der HanseMerkur: „Dass jeder so sein darf, wie er möchte, ist leider keine Selbstverständlichkeit im Zeitalter von Mobbing. Das Engagement des Helden-Vereins zeigt eindrucksvoll, wie wichtig präventive Bildungsarbeit gegen jede Art von Gewalt und Ausgrenzung ist. Die Heldenakademie bietet Kindern und Jugendlichen einen sicheren Raum, um über ihre Erfahrungen zu sprechen und unterstützt sie dabei, sich aktiv gegen Mobbing zu stellen. Damit leistet der Verein im wahrsten Wortsinne Heldenhaftes, nämlich langfristig zu einer gewaltfreieren, mutigeren Gesellschaft beizutragen.“
Quelle: HanseMerkur