Hamburg, 27. März 2025. An Selbstbewußtsein hat es den Hamburger Sozialdemokraten noch nie gemangelt. Kritiker sprechen seit Jahrzehnten sogar von „Arroganz“, mit der sich die SPD die Stadt zur Beute mache – kein Wunder, schließlich hat sie mit Ausnahme einiger Nachkriegsjahre und der Regierung Ole von Beusts sowie seines Kurzzeit-Nachfolgers Christoph Ahlhaus zwischen 2001 und 2011 stets den Ersten Bürgermeister gestellt. Dass der Amtsinhaber Peter Tschentscher bei der Bürgerschaftswahl Anfang März immer noch mehr als 33 Prozent und damit doppelt so viel wie die SPD landesweit bei der Bundestagswahl geholt hat, dürfte diese sozialdemokratisch-hanseatische Attitüde nicht gemildert haben, im Gegenteil: Die Genossen lassen ihre theoretischen Koalitionspartner Grüne und CDU seit Monatsbeginn erst mal zappeln.
Mit der Elbunion sei das Regieren womöglich leichter, konzedieren auch viele führende Sozialdemokraten hinter vorgehaltener Hand: Infrastrukturprojekte wie die A 26 Ost oder die Hafenerweiterung, eine härtere Gangart in der Migrationspolitik oder die einvernehmliche Geldbeschaffung aus den neuen Milliardentöpfen der sich anbahnenden schwarz-roten Bundesregierung – alles Konsensthemen mit den auf fast 20 Prozent gewachsenen Christdemokraten um Dennis Thering. Überraschenderweise gleich zwei Mal sondierte die SPD mit ihm und seinem liberal aufgestellten Gesprächsteam, dem unter anderem der frühere Sozialsenator und CDU-Spitzenkandidat Dietrich Wersich angehörte. Doch trotz der Feststellung weitgehender Gemeinsamkeiten und gegenseitigen Respekts, entschieden sich Tschentscher und seine Landesparteivorsitzende und Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard dafür, die Koalitionsverhandlungen mit den Grünen aufzunehmen.
Keine Überraschung für viele Beobachter: Recht nah ist sich das rot-grüne Großstadtmilieu an der Basis der Parteien, nahe gekommen sind sich im Laufe der Jahre weitgehend geräuschloser Zusammenarbeit auch die Führungsfiguren – Tschentscher und die grüne Frontfrau sowie Zweite Bürgermeisterin Katarina Fegebank betonten das schon im Wahlkampf, während der Erste Bürgermeister mit seinem CDU-Kontrahenten bis heute eher fremdelt. Außerdem haben die selbstbewußten Genossen erkannt, dass das Zurückfallen der Grünen auf den dritten Platz im Parteienranking hinter die CDU ein schönes Erpressungspotential bietet, für politisches Durchregieren und Postenverlust.
Bei Beidem geht es schwerpunktmäßig um die Verkehrspolitik: Die einäugige Ausrichtung auf die Stärkung des Fahrradverkehrs und die zunehmende Drangsalierung der Autofahrer durch die Politik des grünen Verkehrssenators Anjes Tjarks war und ist ausweislich aller Umfragen das größte Ärgernis in der Stadt. Vom überzogenen Bewohnerparken bis zur Ausbremsung des Baus der früher Hafenquerspange genannten A 26 Ost durch grüne Vorfeldorganisationen wie grün gelenkte Behörden, von der völlig unzureichenden Baustellenkoordination bis zum Stauerzeugenden Rückbau großer Durchgansstraßen würde die SPD gern einiges umsteuern, ganz im Sinne der Hamburger Wirtschaft. Dafür allerdings müßte Tjarks die Verkehrszuständigkeit abgeben, wogegen sich der selbsternannte Mobilitätssenator sträubt.
Noch lieber würden die Genossen den auf gute 18 Prozent geschrumpften Ökos einen von vier Senatorenposten abnehmen, mir Vorliebe eben den für Verkehr, und Tjarks ins Umweltressort verfrachten, das der streitlustige Grüne Jens Kerstan aus Altersgründen aufgibt. Ob dieser Knackpunkt in den fast täglich angesetzten Verhandlungen der nächsten Wochen überwunden werden kann, steht in den Sternen. Wie auch eine veränderte Regelung zum Abstimmungsverhalten im Bundesrat, wo man sich bisher im rot-grünen Konfliktfall enthielt – das würde Hamburgs eher konservative SPD bei künftigen Abstimmungen über die Bundesmaßnahmen für eine härtere Migrationspolitik gerne wegverhandeln. Und schließlich wird es um Priorisierungen bei Infrastrukturprojekten gehen, die angesichts des zu erwartenden Milliardenregens schneller umgesetzt werden könnten, als bisher erwartet – auch hier sind rote und grüne Präferenzen durchaus unterschiedlich. Viel Stoff also für Streit und die indirekt oder sogar direkt immer wieder mögliche SPD-Drohung, doch mit der CDU zu koalieren – „Frohe Ostern“ sind im Hamburger Rathaus noch längst nicht in Sicht. Peter Axel Haas