Friedensgefährder, Angstschürer, Gesellschaftsspalter

Bundestagswahl / Wahl zur Hamburgischen Bürgerschaft

Friedensgefährder, Angstschürer, Gesellschaftsspalter

Die Sache ist vertrackt: Das nun offizielle Nebeneinanderher von Bundestags- und Bürgerschaftswahlkampf im kommenden Februar – an dieser Stelle vor vier Wochen prophezeit – stellt vor allem Hamburgs Sozialdemokraten vor ein schier unlösbares Problem.

Von: Peter Axel Haas

Hamburg, 28. November 2024 Die Bundes-SPD schäumt und setzt im Vorwahlkampf auf aggressive Töne: Angesichts der konstant miesen 14-Prozent-Plus-X-Umfragen versucht ein erkennbar verzweifelter Olaf Scholz, sich als Friedenskanzler darzustellen. Alle anderen, die für die lange überfällige Lieferung von Taurus-Raketen an Russland sind, seien Friedensgefährder, ja verkappte Militaristen, egal ob bei der Union, den Liberalen oder Grünen.


Diese perfide Strategie hat zwar schon bei der Europawahl im vergangenen Sommer nicht gefruchtet. Jetzt ist sie offensichtlicher denn je ein Rohrkrepierer, weil selbst Washington, London und Paris nun vergleichbare Langstreckenwaffen freigeben und Putin offenbar nervös wird – deshalb der Einsatz von Mittelstreckenwaffen gegen Kiew, bezeichnenderweise direkt nach dem nutzlosen, für den Diktator im Kreml hilfreichen Scholz-Anruf. Gleichwohl setzen die ratlosen Führungs-genossen weiter auf dieses brachiale Konzept, in der Hoffnung auf möglichst viele naive Pazifisten im SPD-Wählerpotenzial, und ergänzt um die geradezu ehrabschneiderischen Märchen vom charakterlosen, verlogenen Christian Lindner und vom eiskalten, millionenschweren, noch dazu regierungsunerfahrenen Friedrich Merz.  


Das diese Angstschürer- und Gesellschaftsspalter-Winkelzüge schief gehen werden, ist mehr als wahrscheinlich. Und sicher erscheint sogar, dass ein derartiger deutschlandweiter Aggro-Wahlkampf Hamburgs SPD-Wohlfühlnarrativ völlig konterkariert: Der so erfolgreiche Erste Bürgermeister Peter Tschentscher, der angeblich so viel für Kitas und Schulen, für Digitalisierung und Sicherheit, für Nahverkehr und Hafen getan hätte, wird neben dem wütenden Friedenskämpfer Olaf Scholz merkwürdig grau aussehen. Und ein SPD-Wahldesaster in Berlin am 23. Februar dürfte einen Wahlerfolg am 2. März in Hamburg nicht befördern – Looser wählt man nicht gerne.


Die Elb-Genossen allerdings hoffen im Falle einer bundesweiten Schlappe auf den Rollback-Effekt des „Jetzt-erst-Recht“: 59 Prozent der Hamburger seien doch mit Tschentscher zufrieden, wird auf eine frische Umfrage verwiesen. Das würde doch gerade mobilisieren, wenn Olaf Scholz krachend abgewählt wäre, selbst wahlmüde SPD-Anhänger könnten sich doch bemüßigt fühlen, wenigstens an der Elbe zur Sozialdemokratie zu halten. Dagegen wieder spricht die stark gewachsene Unzufriedenheit der Hansestädter mit der Situation in der Metropole: 46 Prozent mißbilligen die aktuellen Gegebenheiten gegenüber nur 30 Prozent vor der letzten Bürgerschaftswahl, 39 Prozent gar beklagen eine wirtschaftlich schlechte Lage in der Stadt, fast eine Verdreifachung gegenüber 2020.


Nicht umsonst wird die Elb-CDU deshalb vor allem auf die Themen Wirtschaft, Verkehr und Sicherheit setzen, die den Hamburgern nach allen Befragungen am meisten auf den Nägeln brennen. Ob das allerdings reicht, um die bisher überschaubare Zugkraft und Bekanntheit ihres Spitzenmannes Dennis Thering zu kompensieren, wird sich wohl erst in den nächsten drei Monaten erweisen. Bisher kennen den sympathischen Oppositionsführer nur knapp die Hälfte der Hamburger, nur bei 18 Prozent derer, die ihn einordnen können, ist er populär. Noch viel Aufholarbeit also für Thering. Und viel Anlass für Tschentscher, sich den jungen Unionsmann vom Leib zu halten: Duelle mit ihm oder Trielle inklusive der grünen Spitzenfrau Katarina Fegebank versucht Tschentscher zu verhindern, auf keinen Fall soll der Eindruck entstehen, dass es zu ihm als Bürgermeister eine Alternative gäbe. Wichtiger noch wird sein, ob es ihm gelingt, sich während des Doppel-Wahlkampfes von seinem Vorgänger Olaf Scholz zu distanzieren, dessen dramatisch gesunkenen Zustimmungswerte kaum wieder zu steigern sein werden. Bisher ist von gemeinsamen Wahlkampfauftritten der beiden an der Elbe nichts bekannt – aber der ach so fürsorgliche, zurückhaltende Bürgermeister wird sich dem wütenden Friedenskämpfer, der in Wahrheit ein Friedensgefährder ist, wohl kaum entziehen können. Ein schier unlösbares Problem.

Peter Axel Haas

 

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