Wie funktionieren Lieferketten in Schwellenländer?
Forscher der Hochschule Flensburg beschäftigen sich mit Projekt zur Nachhaltigkeit von Textillieferketten
Wie die Nachhaltigkeit von Lieferketten in Schwellenländern gesteigert werden kann, gehen Forscher an der Hochschule Flensburg zurzeit nach. Der Ruf nach fair und nachhaltig produzierter Kleidung wird immer wieder – nicht nur nach Skandalen in der Textilindustrie – laut. Jüngste Anstrengungen, Missständen entgegenzuwirken, stellen Zertifikate dar wie z. B. das Textilsiegel „der grüne Knopf“ des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Es soll nachhaltige Lieferketten in der Bekleidungsproduktion kennzeichnen und berücksichtigt dabei neben Umweltschutz auch Arbeitsbedingungen in den Herstellungsländern. Doch wie sieht die Praxis aus? Ein Projekt der Hochschule Flensburg beschäftigt sich mit der Nachhaltigkeit von Textillieferketten am Beispiel Deutschland und Äthiopien.
„Die Textil- und Bekleidungsindustrie gewinnt für Äthiopien enorm an Bedeutung“, sagt Marcus Brandenburg. „Umgekehrt steigt auch die Relevanz Äthiopiens als Standort in globalen Textillieferketten.“ Der Professor für Logistik und Supply Chain Management leitet das vom Deutschen Akademischen Austauschdienst umfänglich geförderte Projekt „Sustainable Textile Supply Chains in Ethiopia and Germany“. Brandenburg sieht die Fortsetzung eines Offshoring, nun von ehemaligen in neue Schwellenländer. Wurde die Produktion zunächst aufgrund des steigenden Lohnniveaus von Zentral- und Osteuropa nach Fernost verlagert, so befördert der ökonomische Aufschwung von China, Indien und Co. nun die Verlagerung der Fabrikation nach Afrika.
Bis Ende 2022 untersuchen Brandenburg und sein Team, welche Faktoren in Schwellenländern die Nachhaltigkeitspraxis beeinflussen. Orientiert man sich an bestehenden Arbeitsschutzstandards oder geht man gar einen Schritt weiter? Welche Anreize haben Firmen in Äthiopien, ihre Produktion nachhaltig zu gestalten? Drohen ihnen gar Sanktionen in Form von Kundenverlusten wegen steigender Preise? Soziale und ökologische Abwägungen spielen eine große Rolle. „Aus unserer Sicht gleichwohl schwierige Verhältnisse in Firmen sorgen oftmals dafür, dass arme Menschen überhaupt Arbeit haben und so der existenzbedrohenden Armut entfliehen können“, sagt Brandenburg. Dies sind lediglich einige Aspekte eines komplexen Zusammenspiels aus politischen, gesellschaftlichen sowie wirtschaftlichen Anforderungen in unterschiedlichen Unternehmen und verschiedenen Branchen.