Hamburg, 11. März 2025. Auf der heutigen Jahrespressekonferenz des Verbands Deutscher Reeder (VDR) wurden die aktuellen Wirtschaftskennzahlen zur deutschen Handelsschifffahrt präsentiert. Die Zahlen belegen, dass die deutsche Schifffahrt trotz geopolitischer Unsicherheiten und Herausforderungen in der internationalen Handelspolitik ein stabiler Pfeiler für die Wirtschaft und die Versorgungssicherheit der Bundesrepublik bleibt. Rund 62 Prozent der deutschen Exporte und 60 Prozent der Importe werden über den Seeweg abgewickelt, was die zentrale Rolle eines funktionierenden Seehandels und einer wettbewerbsfähigen Handelsflotte für die Exportnation Deutschland unterstreicht.
Die Zahlen sind beeindruckend: Deutschland zählt nahezu
290 ansässige Reedereien und verfügt über eine
Flotte von 1.764 Schiffen mit einer
Bruttoraumzahl (BRZ) von 47,4 Millionen. Damit steht Deutschland auch in diesem Jahr auf dem
siebten Platz unter den weltweit führenden Handelsschifffahrtsnationen. Die Handelsflotte sichert
rund 500.000 Arbeitsplätze in der maritimen Wirtschaft und stellt im Krisenfall einen entscheidenden Verkehrsträger zur Versorgung des Landes mit wichtigen Gütern, Rohstoffen und Energie dar.
VDR-Präsidentin Gaby Bornheim betont: „Ohne eine starke, eigenständige Handelsschifffahrt gibt es weder wirtschaftliche Stabilität noch nationale Sicherheit – besonders in Zeiten, in denen die geo- und handelspolitischen Risiken zunehmen.“
Geopolitische Krisen und protektionistische Tendenzen
Die zunehmenden Spannungen auf internationalen Seehandelsrouten – vom Südchinesischen Meer über die Straße von Taiwan bis zu den Gewässern rund um das Schwarze und Rote Meer – stören nicht nur den globalen Handel, sondern erhöhen auch das Risiko von Angriffen auf deutsche Handelsschiffe und Blockaden wichtiger Seestrecken. Der VDR warnt, dass nationale Interessen nicht auf Kosten des freien globalen Warenflusses gehen dürfen. Die
steigenden protektionistischen Tendenzen in der Handelspolitik, wie höhere Zölle und restriktive Maßnahmen, führen zu
zerschnittenen Lieferketten und
steigenden Transportkosten. Dies bringt nicht nur längere Handelswege und höhere Betriebskosten mit sich, sondern auch
erhebliche Planungsunsicherheiten
im globalen Warenverkehr.
Die jüngsten
protektionistischen Ankündigungen aus den USA verschärfen diese Herausforderungen zusätzlich. Die von Präsident Trump angekündigten
25-prozentigen Zölle auf europäische Waren sowie
geplante Gebühren auf in China gebaute Schiffe beim Anlaufen von US-Häfen sorgen für Verunsicherung in der deutschen und globalen Handelsflotte. Angesichts der Möglichkeit, dass sich die US-Regierung aus sicherheitspolitischen Verpflichtungen zurückzieht, wird es für Deutschland immer wichtiger, die eigene Versorgung langfristig zu sichern und die Handelsflotte zu stärken.
„Als führende Exportnation und rohstoffarmes Land sind wir auf gesicherte und freie Handels- und Seewege angewiesen. Es bedarf einer konsequenten nationalen maritimen Sicherheitsstrategie, einer verstärkten Marinepräsenz und einer intensiveren Kooperation zwischen Sicherheitsbehörden und der Handelsflotte. Sicherheit kostet – Zögern kostet mehr“, warnt
VDR-Hauptgeschäftsführer Martin Kröger.
Deutschlands maritime Wettbewerbsfähigkeit unter Druck – Branche fordert gezielte Unterstützung
Deutschland zählt nach wie vor zu den weltweit bedeutendsten Schifffahrtsstandorten. Doch ein Blick auf die internationale Konkurrenz zeigt: Der Wettbewerb wird härter – und Deutschland droht, ins Hintertreffen zu geraten. In der Containerschifffahrt belegt Deutschland mit 30,2 Millionen BRZ (Bruttoraumzahl) inzwischen nur noch den dritten Platz hinter der Schweiz (34,7 Mio. BRZ) und China (31 Mio. BRZ). Ein klares Zeichen für den steigenden Druck auf dem globalen Schifffahrtsmarkt.
Der Verband Deutscher Reeder (VDR) sieht deshalb dringenden Handlungsbedarf. „Der internationale Wettbewerb der Handelsflotten und Schifffahrtsstandorte ist hoch und dynamisch – der Konkurrenzdruck zunehmend spürbar. Wir müssen die Wettbewerbsfähigkeit unserer deutschen Handelsflotte langfristig sichern und konsequent insbesondere unseren maritimen Mittelstand stärken“, betont VDR-Präsident Gaby Bornheim.
Maritimer Mittelstand als Rückgrat der Branche
Ein Großteil der deutschen Reedereien ist mittelständisch geprägt – rund 80 Prozent betreiben weniger als zehn Schiffe. Die deutsche Handelsflotte ist dabei stark europäisch ausgerichtet: Etwa jedes zweite Schiff fährt unter der Flagge eines EU-Mitgliedstaates, vor allem unter deutscher oder portugiesischer Flagge.
Erfreulicher Nachwuchs-Trend: Mehr Ausbildungsplätze in der Schifffahrt
Trotz aller Herausforderungen gibt es auch positive Entwicklungen: Die Zahl der Berufsanfänger in der Schifffahrt ist im Ausbildungsjahr 2024 deutlich gestiegen – um 14 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. 499 junge Menschen entschieden sich für eine Ausbildung auf See (Vorjahr: 418), weitere 214 begannen eine Ausbildung an Land (Vorjahr: 208).
„Die Schifffahrt braucht visionäre und motivierte Nachwuchskräfte, die nicht nur die Zukunft der Branche aktiv gestalten wollen, sondern auch mit uns den entscheidenden Schritt in eine klimaneutrale Ära wagen. Es ist äußerst ermutigend zu beobachten, wie immer mehr junge Talente die riesigen Chancen in der Schifffahrt erkennen und voller Begeisterung diese Herausforderung annehmen“, so Bornheim weiter.
Bürokratische Hürden bremsen Wettbewerbsfähigkeit
Neben den geopolitischen und wirtschaftlichen Unsicherheiten bereiten vor allem zunehmende bürokratische Anforderungen den deutschen Reedereien Sorgen. Doppelte Meldepflichten, regionale Sonderregelungen im Klimaschutz sowie ein wachsender Verwaltungsaufwand hemmen die Effizienz der Betriebe und gefährden die Wettbewerbsfähigkeit.
„Es ist höchste Zeit, dass Europa und Deutschland ihre zweifelhafte Führungsrolle in überbordender Bürokratie und in regionalen Sonderregelungen ablegen. Schlankere Prozesse und international einheitliche Klimaschutzauflagen sind unabdingbar, um Deutschlands Wirtschaftskraft auf See zu sichern“, mahnt VDR-Hauptgeschäftsführer Ralf Kröger.
Fazit: Kurs halten durch klare politische Weichenstellungen
Die deutsche Schifffahrt steht laut VDR zweifelsohne an einem Wendepunkt. Um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können, brauche es langfristige Strategien, gezielte politische Unterstützung und klare Rahmenbedingungen – insbesondere für den maritimen Mittelstand. Nur so könne Deutschland seine Position als führender Schifffahrtsstandort behaupten und zugleich den Weg in eine klimaneutrale Zukunft erfolgreich gestalten, so der VDR.